Der älteste Gemeindebürger (männlich) wurde 95 Jahre
Gottfried Weileder, eine große Persönlichkeit in der Gehörlosen-Welt
1992 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen
Zell/Prackenbach. Gottfried Weileder, eine der ganz großen Persönlichkeiten der Gehörlosen-Welt, konnte am Donnerstag in seinem gemütlich eingerichteten Haus in Zell, hoch über Prackenbach in guter geistiger und körperlicher Verfassung als ältester Gemeindebürger der Gemeinde Prackenbach seinen 95. Geburtstag feiern.
Sehr erfreut war der Jubilar an seinem Ehrentag über den Besuch von P. Ephrem van Helvoirt, Opraem, ein guter Freund des Hauses, Pfarrer Walter Strasser aus Konzell und über den 2. Bürgermeister der Gemeinde Prackenbach Karl Engl, die dem aufgeschlossenen Jubilar ganz herzlich gratulierten. Sie wurden im Hause Weileder durch Frau Agnes und drei von seinen acht Kindern sehr gastfreundlich aufgenommen, wobei der Jubilar viel zu erzählen wusste.
Geboren wurde Gottfried Weileder 1919 in Eichendorf /Niederbayern. Da er mit sieben Jahren durch eine Krankheit ertaubte, besuchte der Jubilar von 1927 bis 1932 die Gehörlosenschule in München. Anschließend absolvierte er eine Lehre als Glas- und Porzellanmaler und arbeitete ab 1937 als Landkartenzeichner im Bayerischen Landesvermessungsamt in München, Innsbruck und Wien.
Von 1940 bis 1942 besuchte Weileder die Höhere Technische Schule in Wien und machte hier seinen Ingenieur in Vermessungstechnik. Nach dem Krieg bildete er im Landesvermessungsamt gehörlose Dienstanfänger in Kartographie aus.
Aus der Welt der Gehörlosen ist Weileder nicht wegzudenken. Er ist nicht nur über 40 Jahre Mitglied im GL-Ortsverein München, ist Gründungsmitglied der seit 1955 bestehenden GL-Bergfreunde, leitete eine Rundreise der GL Sportjugend nach Italien und war über 15 Jahre Technischer Leiter für Skilauf im Weltsportverein Ciss und organisierte die 6. Welt-Winterspiele 1967 in Berchtesgaden.
Schon früh setzte sich der Jubilar als Einzelkämpfer für die Gebärdensprache ein. Er gründete und leitete ab 1957 Kurse für Gehörlose an der Münchener VHS. Es folgten erste Gebärdenkurse für angehende GL-Lehrer an der Uni München und für Eltern gehörloser Kinder. Weileder ist auch Mitgründer des Bildungswerkes für erwachsenen Gehörlose bei der VHS Straubing und arbeitete jahrelang an dem Gebärden-Lexika mit. Dank Weileders Bemühungen wurde auch die TV-Sendung „Sehen statt Hören“ eingerichtet, bei der er über 18 Jahre lang Gebärdenberater war und Zuschauerbriefe beantwortete.
Für sein unermüdliches Wirken hat Gottfried Weileder viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, darunter die Heinrich-Siepmann-Sportplakette des Deutschen Gebärden-Sportverbandes (1990) und das Bundesverdienstkreuz im Jahre 1992.
In all den Jahren hatte der Jubilar seine Heimat Niederbayern nicht vergessen. Darum zog es ihn nach der Pensionierung (1981) in den Bayerischen Wald zurück, wo er sich 1965 in Zell ein kleines Eigenheim erworben hatte. Ein schwerer Schicksalsschlag traf den Jubilar, als seine erste Frau Anna bei einem Lawinenunglück ums Leben kam und auch seine Frau Jutta ihn nach einer schweren Krankheit all zu früh verließ. Seit 1981 ist Weileder mit seiner dritten Frau Agnes aus dem Chiemgau verheiratet, die den Jubilar rund um die Uhr verwöhnt. Von den insgesamt acht hatte sie ihm noch vier Kinder geschenkt und er freut sich jedes Mal sehr, wenn sich alle in seiner gemütlichen Stube um den großen Tisch setzten und von ihren Erlebnissen berichten.
In seinem Eigenheim widmet sich der Jubilar seit Jahren seinem Hobby, der Malerei wobei er mit seinen Werken bei vielen nationalen und internationalen Ausstellungen vertreten war. Seine Werke stellte er auch bei den zweiten Kulturtagen der Gehörlosen in Dresden im Oktober 1998 aus.
Heute ist der sympathische Jubilar noch immer voller Tatendrang. Er ist viel in seiner Werkstatt anzutreffen und auch im Eigenheim gibt es ständig etwas zu tun. Doch zuweilen zieht er sich in seinen Lehnstuhl zurück und schmökert in einem seiner Bücher.
Foto: Matthias (Sohn), Pfr. Walter Strasser, Agnes (Frau), Elisabeth (Tochter), Gottfried Weileder, 2. BM Karl Engl
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